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Gianni Celati (*1937),

dessen Werke in deutscher Sprache bei Wagenbach und Suhrkamp erscheinen, ist dem deutschen Publikum vor allem durch seinen Erzählband Erzähler der Ebenen (1985) bekannt, der bei seinem Erscheinen in Italien von Italo Calvino enthusiastisch begrüßt wurde.
Und dies zweifellos zu Recht. In dreißig z.T. sehr kurzen Erzählungen, die alle in der Po-Ebene spielen, leistet Celati das, was der Leser oder Zuhörer seit altersher von einem wirklichen Erzähler erwarten darf: Er gestattet ihm einen Blick in das Leben, das Denken und Fühlen anderer, fremder Menschen und setzt so, um es mit Celatis eigenen Worten zu sagen, das "Kino im Kopf" des Lesers in Gang. Dabei handelt es sich um Menschen, die auf den ersten Blick nichts Besonderes an sich haben, sondern eher dem Typus des 'Naiven', des 'Toren' entsprechen, wie wir ihn aus dem Märchen kennen. Mit wenigen Strichen, konzentriert auf das charakteristische Detail, erzählt Celati so vom ungewöhnlichen Schicksal gewöhnlicher Menschen wie dem des namenlosen Apothekers und Gelehrten aus der Provinz Mantua, der am Ende seines Lebens nichts anderes mehr tut, als die großen Romane der Weltliteratur mit tragischem Ausgang zu korrigieren und ihnen ein glückliches Ende zu verpassen. Etwa Flauberts Madame Bovary, dessen fortschrittsgläubigen Apotheker Homais er nachzueifern scheint, natürlich vergeblich.

Die scheinbare Einfachheit von Celatis Geschichten erweist sich denn auch als eine Täuschung, hinter der sich ein äußerst reflektiertes, hoch bewußtes Erzählen verbirgt, das mit der europäischen Erzähltradition sein Spiel treibt: Celatis Geschichten sind ebenso sehr Geschichten über Geschichten, über das Erzählen und das Lesen wie es Geschichten über das Leben sind, damit die alte Erkenntnis variierend, daß das Leben erst schön wird, wenn man es erzählt oder im (Kopf-)Kino sieht.