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Judith Hermann

Drei der bekanntesten deutschsprachigen Gegenwartsautoren haben in diesem Jahr Bücher vorgelegt, bei denen es sich weder um einen „klassischen“ Roman noch um eine einfache Sammlung von Erzählungen handelt. Vielmehr sind es Prosastücke, die sich in Echoräumen oder Spiegellabyrinthen „bewegen“. Den Anfang machte Daniel Kehlmann mit „Ruhm“; die beiden anderen sind Judith Hermann und Brigitte Kronauer. Sie beide präsentiert innerhalb einer Woche der Literaturverein Münster.

Am Dienstag, den 27. Oktober liest Brigitte Kronauer, Büchnerpreisträgerin des Jahres 2006, um 20 Uhr im Lesesaal der Stadtbücherei aus „Zwei schwarze Jäger“; am Dienstag, den 3. November, ebenfalls um 20 Uhr in der Stadtbücherei, wird Judith Hermann aus „Alice“ lesen. Im ersten Fall handelt es sich um ein romantisches Welttheater, im zweiten um ein impressionistisches Kammerspiel.
Im Mittelpunkt der ersten Erzählung von Brigitte Kronauer, geboren 1940, steht die Schriftstellerin Rita Palka. Sie ist eingeladen „ins Dunkel des Städtchens W., in der angeblich verträumten Mittelgebirgslandschaft E. des verschlafenen Bundeslandes I.“ Vor kleinem Publikum, das im Lauf des Buches kaleidoskopartig „zerlegt“ und wieder zusammengefügt wird, liest sie die Geschichte von den „Zwei schwarzen Jägern“, und es ist eine hinreißende Meisterleistung, wie Brigitte Kronauer diese Erzählung immer wieder verschränkt mit den aktuellen Wahrnehmungen der Dichterin sowie deren nächtliche Erinnerungen an diese Lesung. Die Grenze zwischen der Innenwelt einer Erzählung und der Außenwelt der Lesung wird durchlässig, als Rita Palka den zweiten Text – „Die Grotte“ - nicht mehr abliest, sondern improvisiert, ihn dem „andächtig dämmernden rudimentären Haus- und Verlegenheitspublikum“ – das freilich aus lauter unerlösten Glückssuchern besteht - gleichsam ins Stammbuch schreibt.
Bei Judith Hermann, geboren 1970, handelt jede der fünf Geschichten vom Sterben eines Mannes, der Alice, der Titelheldin, nahe gestanden hat. Aber in Wirklichkeit handeln Hermanns Erzählungen nicht vom Tod, sondern von der beiläufigen bis bestürzten Entdeckung des Weltverlustes, der mit jedem Tod – oder dem plötzlichen Verschwinden eines Menschen - verbunden ist. Oder umgekehrt: Jeder Tote steht noch einmal für den unaufdringlichen Reichtum der Welt. Judiths Hermann sind durchgearbeitet bis ins Detail der Interpunktion, der inventarisierenden Ellipsen, der alltagssprachlichen Verschleifungen - : ein Erzählen, das schwerelos vom Schwersten erzählt.