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Feridun Zaimoglu

Zaimoglu, geboren 1964 im anatolischen Bolu, lebt seit 35 Jahren in Deutschland. Er studierte Kunst und Humanmedizin in Kiel, wo er seither als Schriftsteller, Drehbuchautor und Journalist arbeitet. Er ist mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet worden. In seinem ersten Buch „Kanak Sprak“, 1995, gelingt es Zaimoglu, die subversive Kraft der Sprache junger türkischstämmiger Männer in Deutschland authentisch darzustellen. Er zeigt, wie Ausgegrenzte zu Subjekten der Kultur werden. Seine Opposition ist ebenso gegen einen romantischen Multikulturalismus gerichtet wie gegen eine postmodern vereinnahmende Kulturschickeria. Zu seinem streitbaren und umstrittenen Werk gehören Romane, Erzählungen, Theaterstücke und Drehbücher; neben seinen schriftstellerischen Aktivitäten ist Zaimoglu auch als bildender Künstler tätig.

Sein Roman „Leyla“ hat vor einem Jahr bei Kritik und Publikum eine große Resonanz gefunden. Aus der Perspektive eines heranwachsenden Mädchens erzählt Zaimoglu in einer bildmächtigen Sprache die Geschichte einer türkischen Familie. Leyla wächst in einer Kleinstadt auf, kommt nach Istanbul, wo sich ihr zunächst neue Möglichkeiten eröffnen, aber dann reist sie mit ihrer Mutter nach Deutschland, wo sie ihr „Schöner“ erwartet: „Ich nehme mir vor, mich in der Stadt Berlin nach einem Zuckerpastetenhaus umzusehen, vielleicht lerne ich dort deutsche Damen meines Alters kennen. Der Schöne hat mir erklärt, dass die Menschen hier ihre Festtagsglückwünsche nicht auf der Straße austauschen. Aber auch hier erkenne man am Zierat der Frau den Wohlstand des Mannes.“ Die letzten Sätze des Romans lauten: „Ich will dieses Land lieben, weil es vermisst werden will. Ich werde den Wolf streicheln, und er wird vielleicht die Hand nicht beißen, die ihm über das Rückenfell fährt.“

In seinem neuen Buch „Rom intensiv” erzählt Zaimoglu von seinem „Jahr in der Ewigen Stadt“, das ihm ein Stipendienaufenthalt ermöglicht hat. Schon im dritten Kapitel bekommt er Heimweh: „An manchen Tagen erinnert mich der Himmel über den Wipfeln der Zedern, Pinien und Zypressen an den Himmel über Kiel – dann wird mir schwer ums Herz, und ich sperre mich freiwillig in der Ville Massimo ein und streiche wie ein Büßer im Parka durch den Garten.“ Die Neue Zürcher Zeitung hat schon recht, wenn sie befindet: „Zaimoglu ist ein literarischer Erotiker, wie er unserer gefühlsarmen Gegenwartsliteratur nur gut tun kann.“
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Der Roman „Liebesbrand“ - abermals ein Beleg für Zaimoglus literarische Wandlungsfähigkeit - erzählt die Geschichte einer leidenschaftlichen Suche. Zaimoglus Protagonist - ein deutschtürkischer Börsenspekulant namens Richard - wird bei einem Busunfall (wie ihn auch der Autor vor einiger Zeit „mit knapper Not“ überlebt hat) von einer schönen „Unbekannten“ gerettet. Ehe der Schwerverletzte sich nach dem Namen des hilfreichen Engels erkundigen kann, ist dieser verschwunden. Zurückgelassen hat er eine Haarspange, und was Richard noch eben registriert, ist das deutsche Kennzeichen - NI - am Auto der Retterin. Und jetzt ist es um ihn geschehen. Frei nach Eichendorff möchte sagen: „Das Herz ihm im Leib entbrennte.“ Richard geht seine Sehnsucht an „wie ein leidenschaftlicher Frühaufsteher“. Er macht sich auf die Reise, die ihn zunächst nach Nienburg an der Weser führt: ein hinreißendes Kapitel über ein unverhofftes Wiedersehen. Aber die Reise geht weiter, nach Prag und Wien. Und kurz vor Schluss sagt er zu ihr: „Es wird dir vielleicht nie wieder passieren, dass ein Mann dich so begehrt wie ich.“ Mit anderen Worten: ein Roman, der einen nicht bange sein lässt um die Zukunft der deutschen Sprache.

Nachdem der Österreicher Robert Menasse kürzlich aus seiner „Erziehung der Lust“, dem Roman „Don Juan de la Mancha“, im Literaturverein gelesen hat, bietet sich jetzt die Gelegenheit, einen weiteren großartigen Liebesroman dieser Tage kennenzulernen. Für Sigrid Löffler ist „Liebesbrand“ eine Art altmodische Gralssuche nach der idealen Liebe - „zugleich aber auch ein Streifzug durch zahlreiche Spielarten heutiger Liebesunordnung. Zaimoglu beschreibt kenntnisreich und präzise in vielen Variationen heutige Werbungs-, Täuschungs- und Betrugsmethoden in der Liebe, Flirt-Rituale, Anbahnungs- und Schlussmach-Gespräche, komische und groteske Fehlpässe bei der Liebessuche.“