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Klaus Reichert

Vor Jahren hat unter dem Titel „Die Geschichte der Wolken“ Hans Magnus Enzensberger „99 Meditationen“ angestellt; ein paar Jahre später hat Raoul Schrott in seinem „Handbuch der Wolkenputzerei“ seine gesammelten Essays vorgelegt, „Wolken – Welt des Flüchtigen“ hat eine Ausstellung in Wien, „Wolkenbilder. Die Entdeckung des Himmels“ eine Ausstellung in Hamburg präsentiert. Und im letzten Jahr ist – unter einem Titel, der sich an den mittelalterlichen Minnedienst anlehnt – Klaus Reichert den „Figuren des Flüchtigen“ gefolgt. Am Donnerstag, den 16. Februar 2017 wird er um 20 Uhr im Lesesaal der Stadtbücherei aus seinem Buch „Wolkendienst“ lesen, das sich Wandelbarkeit seines Gegenstandes durch die Vielfalt seiner sprachlichen und literarischen Register gewachsen zeigt.

Klaus Reichert, Jahrgang 1938, hat sich als Literaturwissenschaftler, Lektor, Übersetzer und Herausgeber einen Namen gemacht – und auch als Lyriker. Vor 8 Jahren ist von ihm der Gedichtband “Das Gesicht in den Wolken“ erschienen, der jetzt gelesen werden kann als eine Art Präludium zu dem allerergebensten „Wolkendienst“.

Was ist es, das die Menschen an den Wolken so fasziniert? Wollen sie uns etwas sagen? Sind es Göttliche Drohungen? Oder sind es nichts als thermische Gebilde? Wolken sind ständig in Bewegung: Das macht es schwer, sie in den Griff zu bekommen. Deswegen können sie zu einem Sinnbild für das Gestaltlose, Ungreifbare, Begriffslose werden. Klaus Reichert nähert sich den Wolken von mehreren Seiten: der Bildenden Kunst, der Musik, der Dichtung. Durch Befragung der Meister wie u.a. Turner, Constable, Ruskin, Goethe, Ligeti, durch eigene Beobachtungen, Lektüren und Erinnerungen versucht er, ihrem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Entstanden ist ein faszinierender, zwischen Wissenschaft und Literatur changierender Text, der das Unmögliche unternimmt: das Nicht-Darstellbare darzustellen. Er setze sich, hat Klaus Reichert in einem Interview gesagt, über die Gattungsgrenzen hinweg, und das habe wiederum mit den Wolken zu tun: immer wieder verändere sich alles: eben noch Cumulus und im nächsten Augenblick schon nicht mehr. Klaus Reichert erweist sich on der Beschreibung solcher Flüchtigkeiten als ein Alter Meister: „Über der waldigen Bergkuppe im Westen steigen lumpige schwarzgraue Fetzen hoch, sehr hoch und noch höher, Gewänder, die zu viele Jahre auf dem Schnürboden hingen, mottenzerfressen, und die ein Inspizient musternd auseinanderzieht, ob noch ein Stück verwendbar ist. Manchmal schimmert an den ausgefransten Rändern eine Goldlitze mit dem verächtlichen Hochmut gewesener Pracht: wir waren einmal wer.“ Kein Wunder, dass Lorenz Jäger in der FAZ ein Wunschtraum überkommt. „Wenn man das Buch gelesen hat, beginnt man von einer Philosophie zu träumen, die all dies einmal einholen könnte: unsere Gemeinschaft mit der Welt.“