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Connie Palmen

Sie ist eine der bekanntesten niederländischen Schriftstellerinnen, und auch hierzulande hat sie mit Romanen wie „I.M.“ oder „Ganz der Ihre“ enthusiastische Leser gefunden. Am Mittwoch, den 5. November wird sie um 20 Uhr im Lesesaal der Stadtbücherei aus ihrem neuen Roman lesen, der deutliche Bezüge auch zur deutschen Literatur hat: „Luzifer“. Es ist ein Roman, der in den Niederlanden als vermeintlicher Schlüsselroman so hohe Wellen geschlagen hat, dass Connie Palmen ihr Kunstwerk öffentlich gegen die Enthüllungsjournalisten in Schutz nahm. Als er Connie Palmens Buch in den Niederlanden vorgestellt habe, so erzählte Cees Nooteboom unlängst in Münster, seien im Publikum Menschen gewesen, die er aus dem Roman „gekannt“ habe. In Deutschland kann der Roman unbefangener gelesen werden. Denn hier sind die realen Vorbilder für die Romangestalten allenfalls Spezialisten bekannt. Umgekehrt mögen die Bezüge zu zwei bedeutenden Künstlerromanen des 20. Jahrhunderts leichter erkennbar sein. Der eine handelt von dem Pakt des Künstlers mit den Mächtigen: Klaus Manns „Mephisto“; der andere von dem Pakt des Künstlers mit dem Teufel: Thomas Manns „Doktor Faustus“.

Realer Hintergrund bei Connie Palmen ist ein Todes-„Fall“ aus dem Jahr 1981. Während eines Urlaubs stürzt Marina Schapers, die Lebensgefährtin des Komponisten Peter Schat, von einem Felsen. Im Roman sind es Lucas Loos und Clara Wevers, die auf einer Griechenlandresie versuchen, ihre Beziehung zu retten. Connie Palmen erzählt die Geschichte dieses Urlaubs, und sie stellt die Frage: Ist Claras Tod ein Unfall, ein Mord oder ein Selbstmord. Sie wirft diese Frage auf, aber sie gibt keine Antwort. Der poetische Satz in der Todesanzeige ist der Angelpunkt des Romans (und der Grund für seinen Titel): „Unser Engel ist gefallen“. Connie Palmen erzählt die Geschichte, die diesem Satz gleichsam vorausgeht: eine heillos komplizierte Beziehungsgeschichte, die Geschichte über den Konflikt zwischen Leben und Werk, die Geschichte über den Preis, der für dieses Werk bezahlt werden muß – von dem Künstler und/oder von seinen Angehörigen. Und sie erzählt die Geschichte, die auf jenen Satz von dem gefallenen Engel folgt: Lucas Loos selbst übernimmt es, seine Freunde zu informieren und die Trauerfeier zu arrangieren, ja: zu komponieren. Diese scheinbar unerschütterte Souveränität weckt Befremden. Auf der Handlungsebene des Romans ist es die Irritation darüber, dass da jemand mit dem Tod seines Lebenspartners so ganz anders als erwartet umgeht. Aber Connie Palmens Roman klagt weder Konventionen ein, noch stellt er Ermittlungen gegen „Bekannt“ an. Ihr Anliegen ist ein existentiell künstlerisches: Wie weit kann, soll, darf, muß eine Künstler gehen, um für sein Werk einen „Grund“ zu haben. Was ist das Opfer, das dieses Werk wert ist? Darf er einen Pakt eingehen mit den Mächten der Finsternis (oder der Öffentlichkeit) um seines Werks willen?

Connie Palmens bewundernswerte Leistung besteht darin, dass sie die Geschichte so sinnlich erzählt, wie sie das musikalische Werk ihres Protagonisten buchstäblich eindringen lässt in die Erzählung. Ein Roman, der seine unerhörte Spannung daraus gewinnt, dass er nicht eine Antwort sucht, sondern die Frage immer genauer stellt.