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Paul Ingendaay

„Warum Du mich verlassen hast“, so hieß die mit dem aspekte-Literaturpreis ausgezeichnete Internatsgeschichte, mit der Paul Ingendaay vor fünf Jahren als Erzähler debütierte. Am Mittwoch, den 19. Oktober wird Paul Ingendaay um 20 Uhr aus seinem neuen Roman lesen: „Die romantischen Jahre“. Der 1961 in Köln geborene Paul Ingendaay ist heute Kulturkorrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Madrid; er schreibt über spanische Innenpolitik ebenso klug wie über die aktuelle Kulturszene oder das Derby zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona. Seine „Gebrauchsanweisung für Spanien“, die er 2002 veröffenlichte, liegt heute bereits in zehnter Auflage vor.

Im Mittelpunkt des ersten Romans hatte Marko Theunissen gestanden, in vielem ein Alter Ego des Autors, der sein Abitur am katholischen Internat Collegium Augustinianum in Gaesdonck gemacht hat. Marko Theunissen ist auch der Held des neuen Romans, nur dass er – anders als sein Autor, der nach seinem Studium der Anglistik und Hispanistik mit einer Arbeit über William Gaddis wurde – seine literarischen Ambitionen nicht ohne Wehmut aufgibt und in der niederrheinischen Provinz eine ganz andere Karriere beginnt: „Eines Tages wachte ich auf und fand mich in einen Versicherungsvertreter verwandelt.“ Dieser kafkaeske Satz erlaubt es, die „Die romantischen Jahre“ auch zu lesen als ein längeres Gedankenspiel über Fragen wie: Was wäre gewesen, wenn? Hätte alles nicht auch ganz anders kommen können? Paul Ingendaay hat seinen romantischen Helden mit einem Motto von Fernando Pessoa charakterisiert, das er seinem Roman vorangestellt hat: „Alles fesselt mich und nichts hält mich.“ Was seinen Beruf betrifft, begreift Marko Theunissen im Laufe der Zeit, „dass eine meiner wichtigsten Aufgaben die Entdeckung und taktvolle Behandlung von Betrugsfällen ist“. Aber „die dünnen und die dicken Dinger“, Schadens- und Betrugsfälle gilt es auch in seinem Privatleben zu regulieren: Probleme mit dem Vater, die sich vor dessen 75. Geburtstag zuspitzen, oder die gefährliche Liebschaft mit einer verheirateten Kundin. Noch bevor er das grenzenlose Universum der Schadensfälle betritt, hat Marko einmal formuliert, was er von der Literatur erwartet: „Die Figuren, von denen wir in Romanen lesen, wollen ja auch wissen, was mit ihnen los ist. Warum sie aus dem Leben, das sie führen, ausbrechen müssen, warum der Alltag sie verrückt macht und alle gesicherten Überzeugungen zu Staub werden. Man könnte sagen, die großen Bücher sind wie Abbruchunternehmen, sie hauen alles kurz und klein, und am Ende muss sich jeder fragen, ob er daraus für sein Lebens Schlüsse ziehen soll.“ Wie das auseinanderfliegt oder zusammenpasst – Versicherungsvertreter und Romantiker –: Paul Ingendaay lässt uns Leser das auf eine fesselnde Weise erfahren.